AFVAKK

Arbeitskreis zur
Förderung und
Veröffentlichung
aktueller Kunst
und Kunstkritik



(1)
Huberman, Anthony: Take Care, in: Circular Facts, hrsg. von Mai ElDahab u.a., Berlin 2011, S. 11 ff.

„(…) die Eröffnung einer Ausstellung könnte den Anfang einer kuratorischen Idee markieren, nicht ihr Ende.“

„Traditionell ist es anders herum: Kuratoren eröffnen ihre Ausstellungen und spielen die Rolle der Erklärenden, stetig an der Aufklärung der Besucher arbeitend, die nicht wissen, was sie [die Kuratoren] wissen. Sie stellen sich geschickt als Wissende dar und vermeiden dabei jegliche Anzeichen von Unwissen. Stattdessen könnte es ein alternatives kuratorisches Betragen sein, sich eine verletzliche Beziehung zum Wissen zu eigen zu machen. Eine Institution könnte aufhören, sich wie eine Erklärungsmaschine zu gebaren, bei der jene, die wissen, diejenigen unterrichten, die nicht wissen und in das investieren, was der Philosoph Jacques Ranciere die "Gleichheit der Intelligenzen" nennt, wo jene, die etwas wissen, mit denen in Verbindung treten, die etwas anderes wissen. Es geht nicht darum, Erklärungen im Voraus/Vorneherein bereit zu halten, sondern darum, dem Eigenleben einer Idee zu folgen, in Öffentlichkeit, mit anderen.“

(2)
Schleswig-holsteinische Landestipendien wurden erstmalig 2009 durch das damalige Ministerium für Bildung und Kultur ausgeschrieben, seit 2011 ist die Kulturstiftung des Landes Schleswig-Holstein Träger des Programms zur individuellen Förderung von Kulturschaffenden. Die Kulturstiftung des Landes vergibt jährlich Reise- und Arbeitsstipendien an Künstlerinnen und Künstler aus den Bereichen Bildende Kunst, Literatur, Musik und Theater, die ihren Wohnsitz oder Arbeitsmittelpunkt in Schleswig-Holstein haben. Die Bewerbung um ein Stipendium ist bis zum 28. Februar eines jeden Jahres möglich. Über die Vergabe der Stipendien entscheidet der Vorstand der Kulturstiftung des Landes Schleswig-Holstein auf Vorschlag der Stipendienkommission des Landes. Mit der Einrichtung des Stipendienprogramms wurde zusätzlich vereinbart die Beteiligten Stipendiatinnen und Stipendiaten der Öffentlichkeit zu präsentieren: 2012 und 2014 als Regionale 1 und 2 realisiert.

(3)
Wyss, Beat: Occupy Kassel, in: Monopol. Magazin für Kunst und Leben, Nr. 6/2012, Juni 2012, S. 81.

(4)
Thiel, Heinz: Über den Tempeln steht ein Hauch von Teufelsdreck. von mir aus. Anmerkungen zu „von hier aus“, in: Kunstforum International, Band 75, 1984, S. 118.

(5)
ebd.

(6)
Spoorendonk, Anke: Grußwort, in: Regionale 2. Von hier aus / From here on in, hrsg. von Sönke Kniphals, Gruppe „Am Montag“ für das Ministerium für Justiz, Kultur und Europa des Landes Schleswig-Holstein, Kiel 2014, S. 7.

(7)
Latour, Bruno: From Realpolitik to Dingpolitik or How to Make Things Public, in: Making Things Public: Atmosphere of Democracy, hrsg. von Bruno Latour und Peter Weibel, Cambridge 2005, S. 14−41.










AFVAKK (2015): Verstetigung



Die Regionale 1 und 2 haben sozusagen über ihren Auftrag, „[m]it der Ausstellung und dem begleitenden Katalog […] die künstlerische Arbeit der Stipendiaten [zu würdigen] und einem breiteren Publikum zugänglich [zu machen]“ hinaus in strukturspezifischen Fragestellungen ihren roten Faden gefunden.(6) Herausforderung und Möglichkeit diese Gedanken öffentlich weiterzuverfolgen, auszubauen, zu intensivieren und zu diesem Zweck weiterhin wissenschaftliche, kritische und künstlerische Beiträge zu publizieren, sind z.T. mit Bedingungen verbunden, welche die einzelne Auflage der Regionale S-H als temporäreres Ereignis nicht erfüllen kann:

1.
Mit dem Titel Regionale, dem Kompositum aus Region und Biennale und der angehangenen Ziffer wurde die periodische Fortsetzung - also gleichsam die Möglichkeit im Rahmen einer Ausstellungsreihe kontinuierlich an das Vorangegangene anknüpfen zu können - programmatisch als Angebot mit aufgenommen. Tatsächlich folgte 2014 die zweite Präsentation und mit den Grußworten der Ministerin für Justiz, Kultur und Europa des Landes Schleswig-Holstein und Stiftungsratsvorsitzenden der Kulturstiftung des Landes Schleswig-Holstein Anke Spoorendonk zur Regionale 2 wurde die dritte Regionale für 2016 angekündigt.

Die Präsentation eröffnet über ihre Dauer von fünf Wochen ein temporäres Schaufenster, einen zeitlich begrenzten öffentlichen Raum. Der Zweijahresrhythmus schließt eine einjährige Interimsphase ein. Neben dem Ereignis bedarf es, um eine Gesprächssituation einzugehen weiterer Räume, Orte, die eine permanente Fortführung publizierender, rezipierender und kritischer Tätigkeit ermöglichen.

2.
Mit jeder neuen Auflage der Präsentation wendet sich der Fokus auf die Künstler(inn)en der jeweils aktuellen Jahrgänge. Entsprechend waren zur Regionale 1 die Stipendiat(inn)en der Jahre 2009 und 2010, zur Regionale 2 die Teilnehmer des Programms von 2011, 2012 und 2013 eingeladen. Mit der schlaglichtartigen Profilierung der augenblicklichen Beteiligten rücken die Akteure der vergangenen Jahre aus dem Blickfeld.

Die allein den begleitenden Katalogbüchern zukommende Gedächtnisfunktion wurde der Art erweitert, dass der Katalog zur Regionale 2 neben den aktuellen Stipendiatinnen in verkürzter Form auch die vorangegangenen Jahrgänge dokumentiert. Das Feld aktueller und ehemaliger Stipendiat(inn)en, das bis 2016 auf 60 herausragende Akteure angewachsen sein wird, langfristig, stetig und in breiterer Form in den Kulturdiskurs in Schleswig-Holstein mit einzubinden, weist wiederum über die Möglichkeiten der Regionale S-H hinaus.

3.
Eine Gesprächsituation entspinnt sich nicht allein zwischen Künstler(inne)n und Publikum, sondern bedarf der Vermittlung und Moderation. Ausstellungsprojekte und insbesondere die begleitenden Kataloge beziehen u.a. Kulturwissenschaftler und –kritiker, Fotografen und Gestalter mit ein. Eine Mehrzahl an Anlässen zu schaffen, diese Zusammenarbeit in einer stetigen Weise fortzusetzen, dem Wechselspiel zwischen freien und angewandten künstlerischen und wissenschaftlichen Strategien und Perspektiven Anreize zu bieten, befruchtet nicht nur den Diskurs, sondern erweitert das Feld der Förderung um die notwendige Basis kultureller Facharbeit und deren Nachwuchs.

4.
Die Regionale S-H ist nur ein Ereignis neben weiteren Initiativen, die berücksichtigten Stipendiatinnen und eingebundenen Akteure und Institutionen nur ein Bruchteil der Teilnehmer der kulturellen Infrastruktur Schleswig-Holsteins. Mit dem Ziel, die Impulse der Regionale S-H unabhängig weiter zu verfolgen, sieht sich der AFVAKK vor die Möglichkeit gestellt, weitere (und weitere mögliche) Träger und Förderer aktueller Kunst und Kultur zu lokalisieren und einzubeziehen und das Feld der bereits versammelten Akteure ebenso zu erweitern, wie die geförderten Künstler(innen) als Gesprächsteilnehmer des schleswig-holsteinischen Kulturdiskurses zu bewahren oder zurück zu gewinnen.

Mit der Vorstellung von dem Eigenleben einer Idee greift Huberman einen zentralen Gedanken des Philosophen Bruno Latour auf, demnach eine Idee, ein Thema, ein Gegenstand immer aus verschiedenen Perspektiven unterschiedlich wahrgenommen und für die verschiedenen Teilnehmer eines Diskurses mit ganz verschiedenen Themen und Gedanken, Behauptungen – Wissen - befrachtet ist.(7) Möglichkeiten den verselbständigten Ideen, interdisziplinären Beiträgen und Positionen in der Öffentlichkeit mit seinen Akteuren weiter zu verfolgen und einem daraus erwachsenden dauerhaften Dialog zu pflegen, versprechen einen maßgeblichen strukturellen Anteil an einer kulturellen Infrastruktur in Schleswig-Holstein.

Der AFVAKK sieht seinen Arbeitsauftrag darin, eine Perspektive von der Regionale S-H aus und gleichsam über diese hinaus zu eröffnen - das Kunst- und Kulturnetzwerk umfassend rhapsodisch mit seinen Akteuren zu vermessen und zu dialogisieren. Das Gespräch im Kleinen über den ereignishaften Moment hinaus zu pflegen, zu inventarisieren, eine Gedächtnisfunktion zu übernehmen, Räume zu diesem Gespräch, für eine Gesprächskultur, zur Sammlung und Publikation von Beiträgen zu öffnen und zu kuratieren.




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„Ein weitverzweigtes internationales Netz geografischer Zirkelschläge“: Ortsketten als corporate design der Regionale 1. Am Montag (Kenan Darwich, Nils Küppers, René Siegfried), Stipendiaten des Landes Schleswig-Holstein 2010, Ortsketten, 2012.